Liebesgrüße aus Warschau
Wie sich Polen zum treuen Vasallen der USA entwickelt
Daß Bundesverteidigungsminister Peter Struck derzeit stinksauer ist, wie es der Spiegel ausdrückte, verwundert nicht. Aus der Zeitung erfuhr er, daß sich nun offenbar Strucks polnischer Amtskollege Jerzy Szmaidzinski berufen fühlt, den deutschen Streitkräfte Marschbefehle zu geben. Diese hatte der "Washington Post" mitgeteilt, er sei für eine Beteiligung des deutsch-dänisch-polnischen Corps im Irak. Soldaten des in Stettin eingerichteten Kommandos sollten sich an der Verwaltung der zukünftigen polnischen Zone im Irak beteiligen und gerne hätte man auch deutsche Soldaten vor Ort.
Man könnte geneigt sein, die Äußerung als diplomatischen Fauxpas abzutun. Doch scheint sie nur der sichtbare Ausdruck einer Entwicklung zu sein, die sich gegenwärtig an der Weichsel vollzieht. Polen, traditionell als mitteleuropäischer Außenposten Frankreichs betrachtet, schickt sich an, nebst Großbritannien zum zweiten Edelvasallen der USA auf dem Kontinent zu werden. Eine Entwicklung, die durch die klare Parteinahme Warschaus für einen Irak-Krieg und die Beteiligung eigner Truppen am Golf, erneut veranschaulicht wurde. Dafür wird Polen nun mit einem eigenen Sektor belohnt. Eine eher symbolische Geste, denn das polnische Einflußgebiet ist letztlich bescheiden. Doch es hebt das Land heraus aus der Gruppe derer, die, wie etwa Australien oder Ungarn, ebenfalls eng an Amerikas Seite gestanden hatten. Das Polen über exzellente Kontakte in den Irak verfügt - rund 20.000 Mitglieder der alten Elite wurden im Lande ausgebildet und sprechen teilweise fließend polnisch - dürfte ein angenehmer Nebeneffekt sein.
Doch das Warschauer Kalkül geht offenbar weiter. Polen will sich in einer sich bildenden neuen Weltordnung seinen Platz sichern. Zu oft sind die Polen bereits Opfer der europäischen Mächte geworden, als das sie sich heute auf schöne Worte oder eventuell trügerische Hoffnungen verlassen. Im Osten hat das Land ohnedies keine Freunde - der tiefe Haß zwischen Polen und Russen gehört bereits zum Inventar der kontinentalen Beziehungen. Das Verhältnis zu Deutschland war zu oft von tiefen Brüchen gekennzeichnet, als, daß es zu tiefen Vertrauen einladen könnte. Die zumindest latente Russophilie der Deutschen, als die der gegenwärtige Schulterschluß zwischen Berlin und Moskau empfunden zu werden scheint, sorgt in Polen immer für Befürchtungen. Die Angst, vom Deutschen Kapital aufgekauft zu werden und die zumindest unterschwelligen Befürchtungen von deutschen Gebietsansprüchen dürfen das ihre dazu beitragen, sich einen Verbündeten außerhalb des europäischen Konzerts zu suchen.
So ist Polen, ohne groß darüber zu sprechen, bereits seit 1990 zum engen Verbündeten Washington avanciert. Noch zu Zeiten, als das Land nominell im Warschauer Vertrag organisiert war, arbeiteten polnische und US-amerikanische Geheimdienste eng zusammen. Polen kämpfte 1991 im Irak an amerikanischer Seite, US-Präsidenten waren gern gesehene Gäste in Warschau. Erst im vergangenen Jahr stieß Warschau die französische Regierung vor den Kopf, als es einen umfangreichen Rüstungsauftrag der Luftwaffe an die US-Industrie vergab und nicht, wie zuvor angenommen, Mirage-Jäger bestellte.
Auch für die USA ist die polnische Karte eine gute Wahl. Das stärkste der Transformationsländer, zudem weitgehend ohne wirkliche Freunde, eignet sich hervorragend als Bastion auf dem europäischen Kontinent. Schon in den 80er Jahren sahen die Strategen in Washington Polen als einen Schlüssel zum Aufbrechen des Sowjetimperiums. Eine Strategie, die damals in enger Verbindung zwischen der Reagan-Administration und dem Vatikan ausgearbeitet und verfolgt wurde. Sollte Polen in Bälde Mitglied der Europäischen Union werden, woran trotz der schlechten Stimmungslage im Land letztlich kein Zweifel besteht, hätten die USA einen wichtigen Partner im Zentrum der Brüsseler Macht, der nicht durch das euroskeptische Image Großbritanniens gehandikapt ist.
Martin Müller-Mertens
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Berlin am Mittwoch, den 7. Mai 2003