Dokumentation:

Max-Planck-Institut
für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
Heidelberg

Tätigkeitsbericht für das Jahr 1998


Fazit: Der Überleitungsvertrag zum 2+4 Vertrag stellt die fortdauernde Rechtsgültigkeit der alliierten Gesetzgebung für Deutschland fest.

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3. Gutachten zur Rechtslage enteigneter Kulturgüter (Prof. Frowein, Dr. Hartwig)

Auf Bitte des Bundesinnenministeriums erstellte Prof. Frowein unter Mitarbeit von Dr. Hartwig ein Gutachten zur Rechtslage der von Frankreich beschlagnahmten bzw. enteigneten Kulturgüter. Hintergrund war die Auffindung einer nicht geringen Zahl von Kulturgütern, insbesondere von Bildern in Frankreich, die sich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs im Besitz deutscher Museen bzw. von Privatpersonen befunden haben.

In dem Gutachten wurde der für die Beantwortung der aufgekommenen Rechtsfragen einschlägige Überleitungsvertrag eingehend untersucht, der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den drei Westalliierten 1952 geschlossen worden war. Nach Art. 3 Abs. 1 des VI. Teils des Überleitungsvertrages können gegen Maßnahmen "gegen deutsches Vermögen, das beschlagnahmt worden ist für Zwecke der Reparation oder Restitution oder auf Grund des Kriegszustandes..." keine Einwendungen von Seiten der Bundesrepublik Deutschland erhoben werden. Auch Klagen von Privatpersonen wurden in diesem Zusammenhang ausgeschlossen, Art. 3 Abs. 3 des VI. Teils des Überleitungsvertrages. In einer Vereinbarung zu dem Zwei-plus-Vier-Vertrag hat die Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich bestätigt, daß durch diesen Vertrag die Grundsätze des Überleitungsvertrages betreffend die Behandlung von alliierten Restitutions- und Reparationsmaßnahmen nicht beeinträchtigt werden sollen.

Dieser völkervertragliche Verzicht auf die mögliche Geltendmachung von Rechtspositionen in diesem Zusammenhang erfolgte unabhängig davon, ob die fraglichen Maßnahmen rechtmäßig waren; denn anderenfalls machte der Einwendungs- und Klageverzicht keinen Sinn. Soweit Kulturgüter durch Frankreich zum Zwecke der Restitution beschlagnahmt worden sind, bei welchen im Überleitungsvertrag festgelegten Voraussetzungen für die Restitution offensichtlich nicht vorlagen - weil sie etwa nicht während der Besatzungszeit von Frankreich nach Deutschland verbracht worden sind - , die also nicht Gegenstand von Restitutionen sein konnten, sind allerdings Einwendungen und Klagen insofern nicht ausgeschlossen. Denn die rechtliche Regelung der Materie impliziert, daß der vertraglich vereinbarte Einwendungs- und Klageausschluß nur gilt, soweit die vertraglich bestimmten Voraussetzungen für diesen vorliegen.

Allerdings könnten die Kulturgüter auch zum Zwecke der Reparation weggenommen worden sein. Nun sollten Kulturgüter nach wohl herrschender Auffassung unter den Westalliierten nicht für eine restitution in kind, also als Ersatz für zerstörte oder verschwundene Kulturgüter herangezogen werden, und auch im übrigen sollten sie nicht Gegenstand von Reparationen sein. Dies ist allerdings nicht ausdrücklich in einem Vertrag vereinbart worden. Es stellt sich die Frage, ob eine strittige Maßnahme, die zum Zweck der Reparation vorgenommen worden ist, Gegenstand von Einwendungen und Klagen sein kann. Das Gutachten kommt zum Ergebnis, daß dies wegen der fehlenden Präzisierung des Reparationsbegriffs im Überleitungsvertrag wohl nicht möglich ist. Denn wenn die Einwendungs- und Klagemöglichkeiten im Hinblick auf Maßnahmen aufrecht erhalten werden sollen, bei denen die Qualifikation als Reparationen nicht vorliegen, dann hätte in dem Überleitungsvertrag genau definiert werden müssen, was Gegenstand von Reparationen sein kann. Die systematische Auslegung des Überleitungsvertrages spricht dafür, daß jedenfalls der Reparationsbegriff nicht von einer vertraglichen Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Siegermächten abhing. Zwar wird in Art.1 des VI. Teils des Überleitungsvertrags bestimmt, daß die Fragen der Reparation in einem Friedensvertrag geregelt werden sollen. Andererseits erklärt Art. 3 des VI. Teils des Überleitungsvertrages, daß der Einwendungs- und Klageverzicht sich auch auf bereits durchgeführte Maßnahmen zum Zwecke der Reparation erstrecken soll. Damit werden auch Maßnahmen als Reparation qualifiziert, welche bereits vor einem Friedensvertrag zu diesem Zweck durchgeführt worden sind. Mangels einer vertraglichen Vereinbarung des Begriffs Reparation in dem Überleitungsvertrag ist der Schluß naheliegend, daß dieser Begriff nicht Gegenstand von Klagen und Einwendungen sein sollte. In diesem Sinne hat auch der Bundesgerichtshof Klagen für unzulässig gehalten, welche Reparationen betreffen.

Es können auch keine Klagen und Einwendungen gegen Enteignungen von Kunstgegenständen vorgebracht werden, die sich gegen deutsches Auslandsvermögen in Frankreich gerichtet haben. Dieses Vermögen war in einer Reihe von Vereinbarungen zwischen den Siegermächten ausdrücklich zum Gegenstand von Reparationsmaßnahmen gemacht worden. Der Begriff des Auslandsvermögens wurde weit verstanden und umfaßte alles bewegliche und unbewegliche Vermögen. Eine Ausnahme für Kunstgegenstände wurde nicht gemacht. Durch Gesetz der Alliierten Hohen Kommission Nr. 63 wurde jede Klagemöglichkeit - gegen wen auch immer - wegen der Übertragung, Liquidierung oder Übergabe von Auslandsvermögen ausgeschlossen. Diese Regelung wurde im Überleitungsvertrag ausdrücklich anerkannt.

Quelle: http://www.virtual-institute.de/en/Taet1998/etat98_30.cfm